Der digitale Handwerksbetrieb
Ein Gastbeitrag von Günther Ohland
Überall hört man, dass zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit digitalisiert werden muss. In der Produktion, der Verwaltung, im Krankenhaus und sogar im Handwerk? Und was bedeutet Digitalisierung grundsätzlich und speziell für das Handwerk?
Ein weiser Mensch sagte einmal, dass ein schlechter konventioneller Prozess auch digitalisiert, noch ein schlechter Prozess sei. Es geht nämlich nicht um den Ersatz des Faxgerätes durch E-Mail, sondern um Geschäftsabläufe, um Prozesse und deren Optimierung mit digitalen Mitteln. Geschäftsprozesse betrachtet man am besten vom Ende her: Was soll am Ende rauskommen? Was ist das Ziel? Und dann Schritt für Schritt rückwärts bis zur Auslösung des Prozesses. So erkennt man schnell, welche Stellen im Unternehmen zum gewünschten Ergebnis überhaupt etwas beitragen müssen, um vom Kundenauftrag bis zur Abnahme durch den Kunden ohne Umwege und Wartezeiten fortzuschreiten.
Digitalisierung hilft nun dabei, nicht notwendige Arbeitsschritte zu vermeiden, die man „immer schon so gemacht“ hat. Es werden also nicht ständig Papierdokumente erzeugt, im Unternehmen von Postkorb zu Postkorb weitergeleitet, evtl. im Urlaub unbeachtet liegen gelassen, dann unterschrieben, gelocht und abgeheftet. Moderne Handwerkssoftware vermeidet das Papier als Prozessmedium. Digitale Dokumente landen im elektronischen Postfach der Kollegen, die für den nächsten Arbeitsschritt zuständig sind, ggf. automatisch bei der Urlaubsvertretung. Terminüberschreitungen bei Entscheidungen „poppen“ automatisch auf und führen rechtzeitig zu korrigierenden Maßnahmen.
Allein das digitale Auftragsmanagement bzw. Kundenmanagement stellt schon einen riesigen Produktivitäts- und Qualitätsgewinn dar. Für den Handelnden vor Ort beim Kunden ist die Möglichkeit, Baufortschritt, Schäden, Fehllieferungen, etc. per Handy-Kamera zu dokumentieren und per Fingertipp in den laufenden Prozess einzubringen, ein weiterer riesiger Schritt. Als Ideal möchte man sich vorstellen, dass der Kunde seinen Handwerker online unter Berücksichtigung von kundenspezifischen Kriterien findet und seinen Auftrag definiert. Dazu reichen oftmals (digital) verfügbare Daten und Fotos. Immer mehr technische Geräte liefern inzwischen für den Reparaturfall historische Sensordaten und Fehler Codes. Es erfolgt ein weitgehend automatisiert erstelltes (KI?) Angebot und der Zuschlag des Kunden. Aus dem Auftrag ergeben sich Material-, Werkzeug- und Personalbedarf sowie die zeitliche Einplanung der Arbeiten. Die Arbeit vor Ort beim Kunden wird natürlich durch Menschen erledigt, doch die Digitalisierung hilft künftig auch hier. Wurde ein Gebäude mit BIM (Building Information Modelling) geplant, bietet der so genannte digitale Zwilling wichtige Informationen wie verborgene Gas-, Wasser- und Stromleitungen oder Brandschutzwände, bereits am Schreibtisch und nicht erst als Überraschung auf der Baustelle.
Die Gebäudetechnik kann von der Digitalisierung besonders profitieren. Wichtig ist die genaue Erfassung des Kundenauftrags. Beschreibt der Kunde seine Aufgabenstellung an die smarte Technik, lassen sich die passenden Systeme und Komponenten optimiert konfigurieren. Funktionen, Benutzeroberflächen von Bedienfeldern, Makros und Szenen lassen sich im Büro erstellen. Dem beauftragenden Kunden lässt sich die Bedienung seiner Installation vorführen, ggf. anpassen (und abnehmen) bevor sie real installiert wurde.
An der Digitalisierung kommt keine Branche vorbei. Und es gibt keinen Grund dies zu fürchten oder zu bedauern. Der tägliche Arbeitsablauf für das Handwerk wird transparenter, sicherer, schneller und kosteneffizienter. Auch der Auftraggeber profitiert. Viele der oftmals als unvermeidlich angesehenen Überraschungen werden dank vorausschauender Prozesse vermieden. Damit bleiben Kosten und Zeit im vereinbarten Rahmen. Eine wunderbare Win-Win-Situation für Kunde und Handwerk.
Wichtig ist aber: Bei aller Digitalisierung ist der Mensch als regulierende, kontrollierende und (mit)fühlende Instanz nach wie vor ein essentieller Bestandteil, der zu Erfolg und Kundenzufriedenheit beiträgt. Betrachten wir Digitalisierung also nicht als „Feind“ oder notwendiges Übel, sondern als Assistenz, um uns Menschen erfolgreiches Arbeiten zu erleichtern.
Über den Author
Günther Ohland ist Fachjournalist für Telekommunikation, Telemonitoring, SmartHome, SmartBuilding und SmartCity. Er ist Autor mehrerer Bücher zu den Themen SmartHome und Smart-Living. Er ist Initiator des Musterhauses SmartHome Paderborn sowie Gründungsmitglied und Vorstand der SmartHome Initiative Deutschland. Hier stellt er die Chancen der Digitalisierung für den Handwerksbetrieb vor und thematisiert, wie die Digitalisierung von Arbeitsprozessen idealerweise ablaufen sollte.